Besonderheiten beim Stillen in den ersten Lebenstagen

Jan. 13, 2025

Nach der Geburt deines Kindes findest du dich in einer neuen gegebenenfalls herausfordernden Situation wieder. Die Versorgung deines Kindes mit Muttermilch – der Stillzeit. Eigentlich sollte es das natürlichste und damit einfachste der Welt sein, sein Kind zu stillen. Trotzdem können einige Herausforderungen auf dich zu kommen, die das Stillen auf die Probe stellen können. 

Vielleicht bist du gerade schwanger und möchtest dich informieren, vielleicht bist du aber auch gerade frisch gebackene Mutter und hast Fragen, da du dir nicht mehr sicher bist wie du es richtig machen kannst, hast vielleicht widersprüchliche Informationen und suchst nach Antworten. 

Es gibt viele Wege die eingeschlagen werden können. Die Wege können vielfältig sein, so wie auch jeder Mensch, jede Geburt und jede Situation vielfältig sind. 

Was passiert in den ersten Lebenstagen bei der Milchbildung und dem Kind? Wie entwickelt sich daraus eine gute Stillbeziehung? Worauf solltest du in den ersten Tagen achten? Und wie erkennst du das alles gut funktioniert? All diese Fragen möchte ich dir beantworten. Und keine Angst – es ist keine Raketenwissenschaft 😉 

Für alle die es eilig haben und direkt zum Ziel wollen hier der Inhalt: 

Die Milchbildung

Einer der häufigsten Gedanken frisch gebackener Eltern ist, dass das Kind nicht genügend Nahrung aufnimmt. Die Umstellung von automatischer Dauerernährung durch die Plazenta auf eigenständige Nahrungsaufnahme durch Saugen an der Brust, ist die erste gemeinsame Aktion zwischen Mutter und Kind.

Um dir stillen in den ersten Tagen auf logische Weise näher zu bringen, und warum es okay ist, wenn dein Kind so stillt wie es stillt, müssen wir ein bisschen hinter die Kulissen schauen.

Am Anfang war das Kolostrum

Schon in der Schwangerschaft bildet der Körper Kolostrum. In dieser Zeit passt sich die sogenannte Vormilch auf wundersame Weise an den Entwicklungsstand deines Kindes an und kann es mit den für ihn notwendigen Inhaltsstoffen versorgen. Ein zum Beispiel in der 28. Schwangerschaftswoche geborenes Kind, bekommt mit dem Kolostrum genau die Milch mit den Inhaltsstoffen, die es in dem Alter benötigt.

Die Menge des Kolostrums ist verhältnismäßig gering, dennoch stecken soooo viele wertvolle Inhaltsstoffe in ihm. Und obwohl nicht viel davon da ist, passt es mengentechnisch genau in den Magen deines Kindes und füllt diesen aus. 

Kolostrum ist für die ersten 3 Lebenstage vorhanden. Es ist dickflüssig und hat eine gelbliche Farbe.

Nach dem Kolostrum kommt die Übergangsmilch

Die Milch verändert sich. Bei regelmäßigen Stillen verändert sich das Kolostrum und wird zur Übergangmilch. Diese ist vom 3. Lebenstag bis zum etwa 14. Lebenstag vorhanden. 

Übergangsmilch sieht sieht eher weißlich aus. Sie ist recht flüssig und du erkennst an der sich verändernden Farbe des Stuhlgangs deines Kindes, dass dein Kind Übergangsmilch bekommt.

Die reife Frauenmilch

Ab der 3. Lebenswoche produziert dein Körper, reife Frauenmilch. Diese besitzt einen wässrigen und einen dickeren Anteil. Am Anfang wird zuerst der wässrige Anteil (Vordermilch) getrunken. Diese ist vor allem durstlöschend. Beim weiteren Trinken kommt der fettreiche Anteil (Hintermilch), welcher wichtig für die Gewichtszunahme ist.

Reife Frauenmilch sieht aus wie Milch. Fast so ein bisschen wie Vanillemilch.

Die Entwicklung des Kindes in Hinblick auf die Nahrungsaufnahme

Der Magen des Kindes

Volumen des Magens in den ersten Lebenstagen:

Erster und zweiter Lebenstag:

  • 5-7ml das entspricht etwas der Menge eines Esslöffels = etwa so groß wie eine Kirsch

Dritter und vierter Lebenstag:

  • 22-27ml entspricht etwa dem Fassungsvermögen einer Walnuss

Fünfter Tag:

  • Etwa 60 bis 80ml entspricht etwa dem Fassungsvermögen einer größeren Aprikose

Zehnter bis 14. Lebenstag:

  • Die Milchmenge entspricht dem Fassungsvermögen eines Eis

Der Magen deines Kindes ist nach der Geburt noch winzig klein- vergleichbar mit der Größe einer Kirsche. Selbst wenn du schon 100ml Muttermilch produzieren würdest, wäre diese Menge für dein Kind in den ersten Lebenstagen zu viel. Der Magen würde überdehnt werden und Bauchschmerzen verursachen. Auch ein flaschengefüttertes Kind wird anfänglich mit einer kleinen Menge Milch gefüttert. Es ist also nicht schlimm, dass erstmal noch nicht so viel Milch da ist. Der Magen braucht eh etwas Zeit zum Dehnen. Durch die langsame Zunahme der Muttermilch, dehnt sich auch der Magen.

Die Gewichtsentwicklung deines Kindes

Natürlich reicht diese kleine, aber mit magischem Inhalt vollgepowerte Milch nicht aus um die Power-Dauer-Ernährung durch die Plazenta in deinem Bauch, eins zu eins zu ersetzen. Das heißt das Gewicht deines Kindes wird in den ersten Tagen nach der Geburt etwas weniger.

Kinder dürfen bis zu 10% ihres Geburtsgewichtes verlieren. Das ist vollkommen ok. Ist die reife Frauenmilch einmal da, dann wird dein Kind wacher, aktiver und sehr motiviert sein viel zu trinken und wieder an Gewicht zuzulegen. Erst 14 Tage nach der Geburt sollte dein Kind wieder bei seinem Geburtsgewicht angekommen sein.

Der Vorteil der Gewichtsabnahme

Die Gewichtsabnahme hat einen kleinen Vorteil. Kinder sind unter anderem auf Grund dieser Gewichtsabnahme etwas schläfriger. In der Theorie wachen Kinder in den ersten Tagen nur zum Essen auf. (Ausnahmen gibt es natürlich immer) Das kann dir etwas Zeit zum durchschnaufen geben. Zeit zum Erholen, Schlafen und Ankommen. Sobald dein Kind gut zunimmt, wird es wacher und ggf. fordernder.

Stillrhythmus

Achtung: Die Mahlzeiten nicht aus dem Blick verlieren 

Trotzdem solltest du ein Auge auf dein Kind haben und es nicht allzu lange ohne Nahrung lassen. Aus folgenden 2 Gründen:

  1. Die Nachfrage reguliert das Angebot
  2. Energiemangel des Kindes

Zu erstens:

Damit dein Kind nach einiger Zeit wieder zunimmt, musst du deine Milchmenge steigern. Dabei gilt: Die Nachfrage reguliert das Angebot. Je häufiger und je länger du stillst umso schneller kommt der Milcheinschuss und du musst dir keine Sorgen machen, dass du nicht genug Milch produzierst. Deine Milch wird über die nächsten Tage immer mehr, der Magen dehnt sich und dein Kind nimmt wieder an Gewicht zu.

Zu zweitens:

Legst du dein Kind nicht regelmäßig an, weil es viel schläft und hast du dadurch zu wenige Stillmahlzeiten innerhalb eines Tages, kann es sein das dein Kind energieraubende Körperfunktionen einstellt. Aufwachen gehört nicht zu den relevanten Körperfunktionen, sondern kostet Energie. Daher würde dein Kind bei mangelnder Nahrungsaufnahme immer schläfriger werden. Der Gedanke das „so schön schlafende Kind“ schlafen zu lassen, wäre hier der falsche Ansatz. Dein Kind braucht noch Unterstützung und muss lernen, dass es durch das Stillen Energie bekommt, sich der Magen füllt und es satt wird.

Stillrhythmus in den ersten Tagen

Es gibt unterschiedliche Vorgehensweisen:

Stillen nach Bedarf

Stillen nach Bedarf, oder intuitives Stillen bedeutet, dass du dein Kind stillst sobald es dir vermittelt, dass es Hunger hat. 

So lange dein Kind dabei regelmäßige Mahlzeiten bekommt, gut ausscheidet und zufrieden ist, kannst du das durchaus so machen.

In diesem Fall ist es besonders wichtig viel Ruhe zu Hause zu haben, sich viel Zeit mit dem Kind zu nehmen, sodass die Hungerzeichen von dir erkannt werden und dein Kind beim Auftreten der Hungerzeichen angelegt wird. Im Idealfall sollte dein Kind keinen Schnuller bekommen, damit du die Hungerzeichen nicht übersiehst. Zu den Hungerzeichen komme ich später. Dann kannst du dein Kind schon in den ersten Tagen nach Bedarf stillen, sofern es keine anderen medizinischen Gründe gibt, die ein regelmäßigeres Anlegen notwendig machen (z.B. ein Frühchen, Neugeborenengelbsucht…)

Stillen nach festem Zeitplan

Stillen nach festem Zeitplan bedeutet, dass dein Kind zu regelmäßigen Zeiten – alle 3 bis 4 Stunden – Nahrung angeboten bekommt. Dieses Vorgehen wird in der Fachwelt diskutiert, da dieses Vorgehen oft schwierig umzusetzen ist. Manche Kinder schlafen länger und sind schwer zu wecken, haben 4 / 5 Stunden Pause, trinken danach aber alle 1,5 bis 2 Stunden. Es ist ein sehr starres Vorgehen. Dieses Vorgehen kann aber entschärft werden indem die Empfehlung lautet, das Kind mindestens 8 mal in 24 Stunden zu stillen. Diese Variante schließt das häufigere Stillen ein. 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass den meisten Frauen es gut tut einen festen Fahrplan zu haben, an dem sie sich orientieren können. Das mag daran liegen, dass Frauen nach der Geburt erschöpft sind, Hungerzeichen nicht richtig erkannt werden, der Alltag schnell wieder los geht usw. 

Wenn ich daher feststelle, dass:

  • das Leben der Familie schnell wieder los geht und die Frau und damit die Stillbeziehung von festen Zeiten profitieren würde, 
  • das Kind nicht nicht gut zunimmt, oder
  • es medizinische Gründe gibt warum ein Kind regelmäßige Mahlzeiten benötigt

ist meine Empfehlung, mindestens alle 3 bis 4 Stunden anzulegen. Auch nachts. Wenn es häufiger trinkt – umso besser. 

Manchmal hilft es in dieser Zeit ein kleines Stillprotokoll zu führen, besonders wenn man zusätzlich doch zufüttert und abpumpt. Hier kannst du dir ein Stillprotokoll herunterladen

Sobald dein Kind wieder das Geburtsgewicht erreicht hat, darf es auf jeden Fall nach Bedarf gestillt werden.

Clusterfeeding

Clusterfeeding ist ein Stillrhythmus bei dem das Kind nur kurze Stillpausen macht. Frauen empfinden dann häufig, dass sie das Kind dauerstillen und nicht sättigen können. Clusterfeeding ganz generell ist ein natürliches Verhalten deines Kindes und kann sich in den ersten 6 bis 8 Wochen nach der Geburt immer mal wiederholen. Dabei geht es nicht nur um die reine Nahrungsaufnahmen, sondern Clusterfeeding dient auch der Beruhigung, der Verarbeitung des Tages und des Bondings zwischen Mutter und Kind.

Das erste Clusterfeeding tritt häufig schon in den ersten Tagen nach der Geburt auf. Die hieraus gezogene Schlussfolgerung der Frauen ist, dass das Kind von der vorhandenen Milchmenge nicht satt wird. Oft wird dann zur Flasche gegriffen und der gewünschte Effekt der Ruhe tritt ein. Dies wiederum bestätigt die Frauen in der Annahme des Milchmangels. Das ist allerdings nur teilweise richtig. 

Hier ist Clusterfeeding ein ganz wichtiger Prozess am Anfang der Milchbildung. Dein Kind agiert genau richtig und teilt deinem Körper mit, dass es mehr braucht. Ich erinnere: Die Nachfrage reguliert das Angebot. Wenn du tapfer weiter stillst und dich nicht irritieren lässt, dann wirst du aller Wahrscheinlichkeit nach, einige Zeit später deinen Milcheinschuss haben und mit der Zeit genug Milch für dein Kind produzieren. In der Regel tritt der gewünschte Effekt nach 8 bis 16 Stunden ein.

Trotzdem kann dies anstrengend sein, besonders wenn deine Brustwarzen gereizt sind und du wenig Erholung bekommst.

Wie du wunde Brustwarzen verhindern kannst liest du im folgenden Bericht:

Richtiges Anlegen beim Stillen

Lässt du dich dadurch verunsichern und bekommst nicht die richtige fachliche Unterstützung, kann dies im schlechtesten Falle dazu führen, dass du anfängst zuzufüttern. Dein Körper wird in dem Moment nicht stimuliert und denkt, dass die Milch die er produziert ausreichen würde. Der Milcheinschuss könnte sich dann verzögern. 

Solltest du mit dem Zufüttern anfangen, dann ist es wichtig, dass deine Brust anders stimuliert wird, zum Beispiel durch ausstreichen der Brust mit der Hand oder abpumpen der Muttermilch mit einer Pumpe. 

Hungerzeichen

Besonders in den ersten Lebenstagen hat das Kind meistens eigentlich nur 2 Bedürfnisse: Schlafen und Essen. Je nach Geburtserlebnis und Umstand können auch andere Bedürfnisse dazukommen.

Das heißt, eigentlich kannst du deinem Kind bei jedem Aufwachen die Brust anbieten. Dein Kind schlägt die Augen auf: Brust anbieten.

Hinzukommen noch weitere Zeichen:

  • Schmatzen
  • Suchen (Dein Kind verzieht den Mund in eine Richtung)
  • Die Zunge rausstrecken
  • An den eigenen Händchen saugen

Lege dein Kind an bevor es weint, da es schwierig ist ein weinendes Kind an die Brust zu bekommen. Das liegt an der Position der Zunge, die diese während des Weinens einnimmt.

Wie du dein Kind gut anlegen kannst erfährst du in diesem Artikel: Richtiges Anlegen – Worauf solltest du achten

Woher weißt du nun, dass alles richtig läuft und funktioniert?

Dieser Prozess kann einige Tage in Anspruch nehmen und es kann manchmal schwierig sein sich auf seinen Körper zu verlassen, besonders wenn das Kind einem etwas anderes zu sagen scheint.

Woher weißt du nun, dass alle klappt:

Dein Kind gibt dir Zeichen

  • Die Urinmenge nimmt zu. Du hast immer häufiger nasse Windeln
  • Der Stuhlgang verändert sich: Zuerst scheidet dein Kind Mekonium aus. Mekonium auch bekannt als Kindspech, ist der schwarze, klebrige Stuhlgang in den ersten Lebenstagen. Bei zunehmender Milchmenge verändert sich die Farbe des Stuhlgangs. Über Grün / Braun / Ocker / Orange bis gelblich – ein Gelber Stuhlgang ist ein sicheres Zeichen, dass dein Kind gute reife Frauenmilch bekommt.
  • Dein Kind hat zunehmend Pausen nach dem Stillen, ist zufrieden und meldet sich, wenn es Hunger hat
  • Dein Kind macht gute Saug- und Schluckbewegungen: Saugen sind langegezogen Züge mit nachfolgendem Schlucken. Gegebenenfalls hörst du auch ein Schluckgeräuch / Nuckeln sind kurze schnellere Bewegungen / Züge
  • https://www.youtube.com/watch?v=Nda1caXcvwk – Video der korrekten Saugbewegung

Dein Körper gibt dir Zeichen

  • Deine Brust verändert sich in den nächsten Tagen:
    • Größere und prallere Brüste
    • ggf. starke Gefäßzeichnung auf der Haut deiner Brüste
  • Du siehst wie Milch aus deiner Brust nach einer längeren Stillpause „tropft“ 
  • Nach einer längeren Stillpause merkst du wie deine Brüste wieder spannen, da sie „voll“ werden
  • Gegebenenfalls merkst du, dass du weichere, leichtere Brüste nach dem Stillen hast

Das Ende vom Lied

Eigentlich ist es alles gar nicht so kompliziert. Vertraue deinem Körper und vertraue deinem Kind und gehe davon aus, dass erst einmal alles klappen wird. Beide werden in den nächsten Wochen und Monaten eine wunderbare Symbiose miteinander eingehen die sich schon so oft bewährt hat. Warum dann also nicht bei dir?

Hier die wichtigsten Dinge zusammengefasst.

  1. Nimm dir viel Zeit und Ruhe besonders in den ersten Tagen
  2. Achte auf die Hungerzeichen deines Kindes und lege dein Kind an, sobald es dir signalisiert, dass es Hunger hat
  3. Die Nachfrage reguliert das Angebot
    1. Sollte dein Kind einmal etwas länger schlafen, achte darauf dass es nicht zu lange schläft, wecke es gegebenenfalls und lege es an
  4. Clusterfeeding ist ein normaler und wichtiger Prozess für die Milchbildung. Sorge in diesem Zeitraum dafür, dass du unterstützt wirst. 
    1. Von familiärere Seite: Hab Jemanden da, der sich um das ganze drumherum kümmert, sodass du dich auf das Stillen konzentrieren kannst. 
    1. Von fachlicher Seite: Hole dir eine Hebamme, die dich informiert und die Situation im Blick hat.
  5. Solltest du zufüttern, dann stimuliere zusätzlich deine Brust. Z.b. durch Austreichen der Brust oder abpumpen von Muttermilch => hole dir auch da fachliche Unterstützung
  6. Sobald dein Kind Geburtsgewicht erreicht hat, stille nach Bedarf. – nach dem Bedarf deines Kindes, aber auch nach deinem Bedarf

Falls du zusätzliche Informationen möchtest, habe ich dir hier ein paar Links angehangen. Möchtest du auf dem neusten Stand bleiben, dann folge mir gerne auf Instagram oder Pinterest!

Weiterführende Links:

https://www.youtube.com/watch?v=2wM6smicIh8 – Super Video zum Anlegen und ersten Stillen

https://hebammen-niedersachsen.de/downloads/180629_DHV_Flyer_Stillen-in-den-ersten-Tagen_web.pdf – Weiterführende Infos zum Anlegen in den ersten Tagen

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner